Gartengeflüster

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Re: Gartengeflüster

Beitrag von Cerifera » Mi Sep 29, 2010 03:43

Danke ;-)

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Carolyn
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Re: Gartengeflüster

Beitrag von Carolyn » Mi Sep 29, 2010 13:02

Mia hat geschrieben:Sie ist ja zwischen den Diensten und Putzfrau/Gärtner ja auch immer wieder einige Stunden alleine, Carolyn, und genau das hält sie nicht durch. Je mehr man sie da allein lässt, um so weniger findet sie sich inzwischen zurecht.
Sie kann gerade immer noch mit einem Taxi ins Dorf fahren, da einkaufen, ihre Weinnummer auf dem Bürgersteig aufführen - das ist geübt - aber sie weiss hinterher nicht mehr, was sie eingekauft hat und wozu das Nutze ist.
Auch wenn der Gedanke nicht angenehm ist: Du solltest Dir überlegen ihr den Vorschlag zu machen, in ein Heim zu gehen. Nicht der Pflege wegen sondern der Gesellschaft wegen! Und zwar, solange sie geistig noch fit genug ist, um den Umzug zu begreifen. Dann wärest auch Du entlastet mit Deinen wöchentlichen Fahrten. Und momentan wäre noch Zeit, nach einem schönen und guten Heim zu suchen und darauf zu warten, dass ein Platz frei wird, denn das kann dauern, grad bei den besseren Heimen.
Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird. (Winston Churchill)

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Re: Gartengeflüster

Beitrag von Mia » Mi Sep 29, 2010 23:19

Hi Carolyn, :smile:

das Heimthema ist so eine Sache. Ursprünglich war das überhaupt nix für Mutter. "Da sterbe ich! Weisst du nicht, dass alte Leute dort geschlagen werden? Sie verelenden im Bett, in ihrem eigenen Kot! - Guckst du denn kein Fernsehen?"
An ein sachliches Gespräch darüber war nicht zu denken.
Das war vor 6 Jahren.

Aber ich bin ja nicht ganz ohne Möglichkeiten...
Wenn Mutter wegen etwas Ernstem im Krankenhaus war, sprach ich mit den Ärzten ab, dass sie danach zur Kurzzeitpflege in ein Heim ging. Das war auch vernünftig, denn ein Mensch, der meinetwegen durch ein neues Knie auch nach der Reha noch extrem eingeschränkt ist, kann auch nicht ein paar Stunden alleine bleiben, wenn er von sich aus kein Klo erreichen kann.
Das mussten die Ärzte dann ihr gegenüber durchsetzen und ich blieb außen vor, obschon sie durchaus immer wieder annahm, ich könne dahinterstecken. Das habe ich dann aber weit von mir gewiesen ---- nein, der Arzt hat das entschieden! Und ist ja auch vernünftig! "Wer soll dich denn aufheben, falls du stürzt?"

So lernte sie zwei verschiedene Heime kennen, stellte fest, sie wurde nicht geschlagen, fand sie prima!

Danach konnten wir anfangen, uns gemeinsam Heime für sie anzugucken. Sie war nicht mehr grundsätzlich abgeneigt, fand es auch für sich interessant, alle zwei, drei Wochen mal ein Heim zu besichtigen.
Vor 4 Jahren begannen wir, die zig Heime der Umgebung abzuklappern, haben dann die zwei besten ausgeguckt, in beiden ist Mutter lange angemeldet, in einem könnte sie auch sofort einziehen - aber der Sprung dahin fällt ihr ungeheuer schwer. Bewusst kann sie keine Entscheidung treffen, manche verdeckten, rudimentären Ängste sind zu groß. Darüber kann man mit ihr nicht reden.


In dem wunderbaren, in dem sie sofort einziehen könnte, hatte ich sie aktuell Ende August/Anfang September für zwei Wochen in Kurzzeitpflege, um ihr Haus in Ruhe durchputzen ( und einiges entrümpeln) zu können. Es hat ihr SUPER gefallen!
Kaum war sie wieder daheim, wollte sie SOFORT wieder hin! Ich hab etwas abgewunken, ich kenn ja ihren Wankelmut.
Und Geld für eine neue Kurzzeitpflege bekomme ich erst wieder im Januar bewilligt. Ich hab gedacht: Muss sie halt bis Januar warten, das vergrößert ihre Sehnsucht, und dann kann man ja die Kurzzeitpflege in eine stationäre Geschichte übergehen lassen, wenn es ihr da - hoffentlich! - wieder so gut gefällt. Den Fehler, sie noch mal - wie zwei Wochen vorher besprochen - pünktlich wieder abzuholen, werde ich nicht noch mal machen! Sie war nämlich überrascht und wollte gar nicht recht weg. Es wäre ihr eindeutig lieber gewesen, ich wäre NICHT gekommen. Aber wie sollte ich das ahnen?

So bedrängte sie mich dann zwei Wochen lang, rief sogar selbst im Heim an, ob sie nicht wiederkommen könnte,
da habe ich versucht, mit ihr vorsichtig abzuklären, wie lange sie denn dort zu bleiben gedächte, denn MIR war ja klar, dass wir jetzt einen regulären Heimvertrag machen müssten. Mutter meinte aber, sie wolle sich die Option offenhalten, wieder nach Hause zu kommen, falls es ihr nicht mehr gefiele. Das war für mich auch okay, denn Heimverträge kann man ja kündigen.
So, nach diesem Gespräch drängte sie mich weiter, also habe ich den Heimplatz am Dienstag den 12.09. telefonisch festgemacht, für Samstag den 18.09.10.

Ich hab dem sozialen Dienst Bescheid gegeben, Mutter die Medikamente für die nächsten Wochen Samstag früh hinzustellen, hab den Arzt angerufen, dem Heim die aktuelle Mediliste zu faxen, hab den Privaten Dienst benachrichtigt, hab das Essen auf Rädern ab- und bei der Krankenkasse den Antrag auf stationäre Unterbringung herbestellt, hab gebeten, den Heimnotruf, bis auf Widerruf, still zu legen.

Mutter war überglücklich! Wann wir denn ihre Tasche packen würden? "Na, Samstag, wenn ich dich abhole!" Das war Dienstag.

Mittwoch, Telefon: "Hör mal Mia, ich komme aber doch noch mal nach Hause, wenn ich das will, oder?" - "Ja sicher. In deinem Haus bleibt erstmal alles so, wie es ist!" "Kommst du auch her, und passt auf's Haus auf, während ich nicht da bin?"- "Ja sicher. Wie das letzte Mal auch. Ich hab eh noch genug da zu tun."

Donnerstag, Telefon: " Du, Mia, ich hab mir überlegt, ich geh nicht ins Heim." - "Warum?" "Na, HIER ist es ja auch schön!" - " Ach, du wirst schon sehen, wenn du erst wieder im Heim bist, ist es da noch schöner! Ausserdem ist alles festgemacht, das bleibt jetzt dabei!"

Freitag, Telefon: " Mia, du kannst alles wieder absagen, ich gehe NICHT ins Heim!" - "Das kommt überhaupt nicht in Frage, Mutter! Warum willst du nicht hin?" - " Was mache ich denn, wenn die mich festhalten und mich nicht mehr rauslassen?" "Mutti, wenn wir einen Heimvertrag machen, kannst du ihn jederzeit kündigen!" - "Und was ist, wenn DU mich zwingst dazubleiben?" - "Warum sollte ich dich zwingen?" - "Weil du mein Haus haben willst? Weil du da einziehen willst? Weil DU mich loswerden willst? Nein, nein, Mariechen, das könnte dir so passen! - Ich gehe NICHT ins Heim, und dabei bleibt's!"

Zack! PATT!

Ich hab dann noch Samstag versucht, Mutter zu überzeugen, doch die Tasche zu packen, aber es war vergebens.
Ich muss jetzt einige Monate abwarten, bis das eben Gefühlte vergessen ist, und eine günstige Gelegenheit entsteht, sie noch mal für ein Heim zu ködern.
Wahrscheinlich mit: "Du gehst jetzt mal drei Wochen in Urlaub, wie deine Freundin Friedl auch!"
Der Friedl neidet Mutter nämlich immer, wenn die in die Kurzzeitpflege "darf", weil deren Angehörige dann selbst in Urlaub fahren. Über diese Brücke habe ich sie neulich auch ins Heim bekommen, die Friedl durfte nämlich schon Ende Juli dorthin! Und was hatte die geschwärmt! - Sollte Mutter da zu Hause bleiben müssen?

Und dann werde ich sie nicht mehr pünktlich abholen. Dann dehne ich das aus, und hänge einen Tag an den anderen. Und dann schaunmermal.

Lieben Gruß,
Mia
Ich möchte so ein guter Mensch werden, wie meine Hunde von mir glauben, dass ich es bin.

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Re: Gartengeflüster

Beitrag von Cerifera » Do Sep 30, 2010 01:15

Das ist echt schlimm mit den alten Herrschaften, die haben Angst vor dem Heim und nicht wieder lebend nach Hause zu kommen. Ich weiß nicht warum das eigentlich so schlimm für die ist aber ich vermute das hängt stark mit der Demenz zusammen, da klammern die Leute unheimlich an alte Dinge und an Erinnerungen. Hast Du schon mal einen Geronto-Kurs bei der Kasse beantragt? Das solltest Du doch problemlos finanziert bekommen!

Selbst wenn es im Heim noch so toll ist und sie dort Beschäftigung und Gesellschaft hat oder auch mal Ausflüge gemacht werden. Das Verlangen nach Hause zu kommen wird immer in ihr bleiben selbst wenn das Heim dann eigentlich ihr zu Hause ist. Ich glaube das kann man nur richtig begreifen wenn man selber mal in der Lage ist oder eben so einen Kurs besucht hat. Ich hatte das auch schon vor wegen meiner Schwiegermutter aber jetzt ist sie im Heim und ich tue mich da nicht mehr ab, denn dort gibt es geschultes Personal. Aber da wird es auch schon wieder laut, dass sie nach Hause möchte und der Schwiegervater jammert wegerm Geld. Sag ich: "klar kann sie wieder heim, ist kein Problem - aber wenn sie aus dem Bett fällt oder stirbt weil sie ihre Medikamente nicht ordentlich eingenommen hat werdet Ihr Euch schlimmste Vorwürfe machen - ich übernehme die Verantwortung nicht!" Manchmal werden die älteren Menschen immer mehr wieder wie kleine Kinder....

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Re: Gartengeflüster

Beitrag von Carolyn » Do Sep 30, 2010 14:19

Cerifera hat geschrieben:Ich weiß nicht warum das eigentlich so schlimm für die ist aber ich vermute das hängt stark mit der Demenz zusammen, da klammern die Leute unheimlich an alte Dinge und an Erinnerungen.
Nicht nur, obwohl für Demenzkranke die Gewohnheit und das Vertraute sehr wichtig sind. Ich persönlich kenne niemanden, der gerne ins Heim ging(e), mich selbst eingeschlossen. Es ist eine Umstellung, die nicht unbedingt freiwillig geschieht und wer läßt sich schon gerne zu etwas zwingen? Wer mehrmals in seinem Leben umgezogen ist und daher eher weniger Bindung an sein Zuhause hat, der kann es vielleicht noch als "normalen" Umzug sehen, aber Leute wie mich muss man schon mit den Füßen voran aus ihren Haus tragen, damit sie es verlassen.

Meine Tante war geistig fit, wollte nie jemandem zur Last fallen, aber irgendwann ging es ihr halt körperlich nicht mehr gut genug, dass sie in ihrer Wohnung hätte bleiben können. Sie hat es selber eingesehen und sich nach außen darein gefunden. Wir haben damals den Umzug komplett organisiert. Aber in dem Heim hat sie sich so extrem aufgegeben, dass sie nur exakt acht Tage dort gelebt hat...


@Mia: Ich kann das Verhalten Deiner Mutter nachvollziehen. Sie hat Angst vor der Endgültigkeit bekommen, vor "dem letzten Schritt". Zu ihrem eigenen Besten wirst Du sie genau so überlisten müssen, wie Du es Dir überlegt hast.
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Re: Gartengeflüster

Beitrag von Mia » Fr Okt 01, 2010 01:21

Hallo, ihr Lieben, :smile:

oh, ICH würde ins Heim gehen! Ich hab mir meins sogar schon ausgesucht - das fiel bei der Mutter-Heim-Suche zufällig mit ab.
Davon gleich mehr.

Jetzt aber, Cerifera: Was ist ein Geronto-Kurs? Wieso bekommt man den finanziert? Ich bin mir nicht sicher, ob es das bei uns gibt?

Ich glaub, für Dich war das ganz richtig, dass Deine Schwiegermutter jetzt im Heim ist, weil sonst alle Verantwortung vor allem an DIR hängenbleiben würde. Und Du hast mit ihr ja deutlich weniger zu tun, als ich mit meiner Mutter.Was sollst Du eine nahezu fremde Frau päppeln, bei dem Dir möglicherweise Schwiegervater auch noch dreinredet? Ich halte die Entscheidung für vernünftig. Halt sie durch! Falls sie heimkommt, und Du aber nicht "sozial-helfend" zur Verfügung steht, muss Schwiegervater genauso viel Geld für Dienste ausgeben, wie jetzt für das Heim. Es sei denn, er honoriert DICH. Was er aber vermutlich nicht tun wird. Schwiegertöchter sind schließlich kostenlos, gell? Also, bleib bloß dabei! Und bei Deiner Argumentation!

Carolyn, ja, Mutter hat Angst vor der Endgültigkeit bekommen.
Ich werde sie auch nicht zwingen. Ich ahne und weiss, wie sehr der Schuss dann nach hinten losgehen kann. Ich will sie ja nicht umbringen und aus der bislang lebensfrohen, wenn auch nervenden Mutter, ein seelisches Wrack machen. Ich achte auch unwahrscheinlich auf ihre Medis, dass sie NICHT ruhiggestellt oder zugedröhnt wird.
Ich hab viel gelernt, in den letzten 6 Jahren, gerade im Umgang mit Arzt/ Medikamenten, was mir auch für mein Alter nützlich sein wird. Vorher werde ich alles aufschreiben und es meinen Vertrauten geben, damit sie mich schützen können, falls ich es selber nicht mehr kann.

Aber ich beschäftige mich jetzt schon mit der Idee, ins Heim zu gehen. Ich vermute, das liegt nahe, wenn man mit einem alten Angehörigen viele Heime besucht, denn ich werde von meinen Jungs und vielleicht künftigen Schwiegertöchtern jedenfalls nicht erwarten, dass sie mich pflegen.

Nun: MEIN ausgesuchtes Heim!
Es liegt zwischen Wald, Tierpark und Botanischem Garten, ein kleiner Ortsteil mit Geschäften ist fußläufig zu erreichen, die Verbindung zur nahen Innenstadt mit Theater, Museen und Konzerthaus ist durch Busse gewährleistet. Es ist ein Heim-Dorf. Es ist in den 60ziger Jahren gebaut, von daher ist es nicht mehr ganz so flott, aber ich persönlich finde es großartig. Und ich vermute, dass man bald auf die phantastische Idee, die dahintersteckt, wieder zurückkommen wird, spätestens, wenn durch den Generationenwandel ganz viele gescheite Leute alt sind, die ähnliche Ansprüche stellen werden wie ich. Bislang ist es aber im großen Ballungsraum das Einzige dieser Art.

Jetzt, was macht es so besonders? Wie gesagt, es ist ein Heim-Dorf. Über einen großen Park verteilt, stehen 60iger Jahre Häuser, mit je 6 Wohneinheiten, drei unten, drei oben. Die unteren haben Terrasse und - so man will - einen kleinen Garten, die oberen Balkon. Dahinter hat man einen Wohnraum, davon nach rechts oder links abgehend ein Schlafzimmer und ein Bad. Haustiere, inkl. Hunde oder Katzen sind grundsätzlich erlaubt, jedenfalls, solange man die Hunde noch selber ausführen kann, oder man jemanden hat, der das für einen tut.

Wenn man essen will, muss man sich selbst vorwärtsbewegen, nämlich auf den zum Teil recht langen Wegen zum "Restaurant" hin. Das ist etwas ganz anderes, als in einem kleinen Speiseraum auf der Etage abgefüttert zu werden! :wink:

Dieses Haupthaus mit den Verwaltungsräumen, den Spielräumen, Gymnastikräumen im Untergeschoss, vermittelt in dem großzügig angelegten Hauptraum, inklusive aller Eingänge und Ausgänge, eindeutig die Atmosphäre eines sehr guten Restaurants, oder zur Nachmittagszeit, die eines feinen Cafe's.
Nicht nur, dass man durch die tiefen Fenster überall ins Grüne guckt und schöne Bilder an den Wänden hängen, es gibt auch noch eine hübsche, freistehende Bühnenempore mit einem Flügel drauf, und wenn da aufgespielt wird, werden ein Teil der Tische umgestellt, damit geschwoft werden kann, wer das denn tun will. In diesem Raum wird auch Weihnachten gefeiert und andere Feste, und ich kann mir vorstellen, dass das für alle in dieser schönen Atmosphäre richtig schön ist.

Wie dem auch sei: Dadurch, dass die Leute zu den Essen laufen müssen (inkl. sich vorher anziehen), spürt man in diesem Heim, dass die Gebrechlichkeit der alten Menschen eindeutig geringer ist, als in vergleichbaren Heimen, z.B. in Hochhäusern.
Dort sieht man die Alten oftmals halbschlafend stundenlang auf dem Flur vor dem Eingang zum Speiseraum sitzen, in Rollstühlen kauernd, halb liegend. Selten hebt sich der erschlaffte Blick, denn sehen tun sie nichts, außer einander.
Kein Kanarienvogel pfeift, kein Aquarium steht da - nichts als grauer Plastikbodenbelag und die geschlossene Tür zum Speisezimmer. Man spürt direkt in der Atmosphäre: diese Menschen haben sich fast gänzlich aufgegeben. Nur noch das Warten auf eine Mahlzeit hält sie zumindest halb am Leben. Ich kann mir vorstellen, dass man da sehr schnell stirbt. Man weiss, man kommt da nie wieder lebend raus, aber WAS in Gottesnamen, sollte einen dort noch auf der Welt halten?

Die Alten im Heimdorf hingegen, saßen im Sommer mit ihren Hausgemeinschaften im Pulk auf Terrassen und grillten.
Und das ist kein Betreutes Wohnen, okay? Es ist wirklich "Heim".

Als ich dieses Heim mit Mutter besichtigte, sagte ich: " Hör mal, hier geh ich hin! Wenn ich nicht mehr alleine kann, dann nehme ich mir ein Zimmer unten, mit Gärtchen, nehm die Hunde mit, werd den ganzen Tag lang zeichnen und malen, und zwischendrin mit meinen Rollator gen Speisesaal schieben! Abends sitz ich dann wieder im Gärtchen und trink meinen Rotwein!" :smile:

Natürlich wollte ich Mutter auch in diesem Heim unterbringen, aber ihre Bedürfnisse sind meinen insofern entgegengesetzt, als dass sie alleine überhaupt nicht mehr längere Strecken laufen kann und will.

Für solche Leute - die nicht mehr laufen können - gibt es dann ein besonderes Haus, in diesem Heimdorf.
Es ist neu, und entzückt durch seine innere Architektur. Es ist dreistöckig, ist im Rechteck um ein großes, inneres Atrium gebaut, dieses Atrium ist oben spitzwinkelig verglast. Unten ist es plattiert, da stehen Cafehaustische, zu Springbrunnen und hochrankenden Pflanzen, da kann man auch Kaffeetrinken gehen.

Jetzt aber: Die einzelnen Etagen sind zum Atrium hin offen, die Flure ziehen sich als bewachsene Laubengänge innen entlang.
Wenn man unten im Atrium steht und hochschaut, sieht man über die zwei oberen Etagen, wie sich Alte über das Pflanzen- und Blütenbewachsene Geländer bücken und in rufender, lachender, schwätzender Kommunikation miteinander oder mit den Leuten im Atrium stehen.

Ihre Zimmer gehen alle von den Laubengängen nach außen ab, ihre Fenster blicken nach draussen. Jede Etage hat einen Speiseraum, Fernsehzimmer, Aufenthalts- und Spielraum, dazu einen perfekten "Rundlauf", so dass sich kein Dementer verirren kann. Irgendwann kommt er doch wieder an seinem Zimmer an. Natürlich wird mit den Leuten gebastelt, gemalt, gesungen...

Ich wollte sehr gerne, dass Mutter dahin geht, es ist aber SAUSCHWER, in dieses spezielle Haus zu kommen.
( Dies ist das dritte Heim, in dem sie angemeldet ist, davon habe ich noch nichts erzählt, es gedanklich auch schon wieder gestrichen, weil es nicht klappen wird.)

Wenn jemand nicht mehr laufen kann, stehen für die Sozialarbeiter der Zimmerverteilung natürlich die Menschen, die vorher im Heim in den Einzelhäusern wohnten, an erster Stelle.
Keine Chance für Mutter!

Aber sie findet es eh nicht so toll wie ich. Sie kann die sozialen Möglichkeiten für sich, die allein in der Art der Gebäude stecken, nicht mehr erkennen.

Was für mich hinzukommt ist, dass das Heim relativ kostengünstig ist. Weil der größte Teil der Bausubstanz aus den 60ger Jahren stammt, fallen die Investitionskosten, die bei neuen Heimen extrem ins Geld gehen können, hier sehr niedrig aus.

Wir hatten ohnehin aber vorher schon ein Heim des gleichen Trägers als das bis dato Beste für sie ausgewählt. Da war sie auch in Kurzzeitpflege, und das, wo sie aktuell in Kurzzeitpflege war, gehört auch dazu, liegt aber in einer anderen Stadt, so dass ich anfangs nicht drauf kam ( ist auch nur 12 km von ihrem Wohnort entfernt).

Alle von mir ausgewählten Häuser sind ziemlich alt. Ich hab nämlich die Erfahrung gemacht, dass Mutter von bunter, moderner Architektur abgeschreckt wird. Ein modernes Entree erleichtert ihr das sich "Daheimfühlen", absolut nicht, sondern steht dem im Wege. Hinzukommt, dass die Zimmer in den älteren Häusern größer sind. Wenn Mutter etwas Gediegenes vorfindet, was sie aus ihrer bewussten Zeit in den 60ger, 70ziger, 80ziger Jahren noch gut erinnert, ist ihre Bereitschaft dort zu bleiben deutlich größer, als in einem praktischen Modebau.
Da nimmt sie, wenn sie nur die Fassade sieht, gleich Reissaus.

Und nur, weil Gebäude älter sind, bedeutet es ja nicht, dass die Pflege schlechter ist, gell?
In dem Heim, in dem sie aktuell war, wird auch nicht "auf der Station", oder besser: "im Hinterzimmer" gefüttert.
Mutter musste sich anziehen und mit dem Lift ins große "Restaurant" fahren. Daneben gab es einen Wegweiser zum Frisör, zur Fußpflege und zum Kiosk. Das hat sie extrem genossen!

Das ist in modernen Heimen aber oft nicht mehr so. Diesen großen Restaurantraum, der für Menschen wie meine Mutter extrem wichtig ist, den gibt es da gar nicht mehr. "Füttern" in kleinen Räumen auf der Station ist ja viel einfacher. Die Frisösen in modernen Heimen kommen auf's Zimmer, die Fußpflege auch. Dadurch wird aber ein Stück gesellschaftlicher Rahmen genommen! Es macht doch vielen alten Leuten gerade Spaß, im Wartezimmer des Frisörs oder der Fußpflege zu sitzen und zu tratschen!
Der Träger schneidet jedenfalls in der Beurteilung durch die Kassen in allen drei Heimen mit Gut und Sehr gut ab.
So fühle ich mich in meiner Einschätzung bestätigt. :wink:

Lieben Gruß,
Mia
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